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Meilensteine der Junkersforschung 1910 bis 1953

In den 1920er Jahren stand der Begriff "Junkers" in der Luftfahrt als Synomym für Fortschrittlichkeit, Sicherheit, Pünktlichkeit, Wirtschaftlichkeit und für unzählige Rekorde. Professor Hugo Junkers formte in den Jahren zwischen 1915 und 1932 eine Mannschaft hervorragender Techniker, die an die gestellten Aufgaben mit Weitblick herangingen. "Selbst denken" und "selbst neue Wege finden" war ihre Devise. Hier einige Beispiele, wie Junkers-Flugzeuge und -motoren den Gang der Geschichte beförderten:

Der dicke Junkers-Flügel

Noch bevor sich Prof. Hugo Junkers mit dem Bau von Flugzeugen befaßte, veruchte er ersteinmal herauszufinden, wie es um das Verhältnis von Auftrieb und Widerstand bestellt ist. Dazu baute er an der TH Aachen einen Windkanal und ließ von seinem Strömungstechniker Philipp von Doepp die unterschiedlichsten Körper und Flächen auf dieses Verhältnis hin untersuchen. So fanden Doepp und Prof. Junkers heraus, daß schlanke Körper einen geringeren Widerstand haben als Kugeln, daß dünne Flächen keinen geringeren Widerstand haben als dicke Flächen und daß quergestellte Flächen wesentlich größere Widerstände haben als schlanke Körper mit gleichem Querschnitt. Aus diesen Untersuchungen heraus entstand die Idee vom "dicken Flügel". Damit stand Hugo Junkers 1914/15 gegen alle sonstigen Flugzeugbau-Firmen, die auf Mehrdecker mit gegeneinander abgestützten dünnen Tragflächen setzten.

Der dicke Flügel von Hugo Junkers konnte aus seinem Innern heraus gestützt werden. Hugo Junkers favorisierte die Vollschalenbauweise aus dünnen Stahlblechen, die sich gegenseitig stützten, eine glatte Außenhaut bildeten und im Innern Lasten (Kraftstoff, Motoren, Öl, Nutzlast) aufnehmen konnten. Mit dieser Bauweise vermied er sehr viel Widerstand, so daß solche Flugzeuge trotz höhere Baumasse leicht und schnell flogen. Außerdem waren Metallflugzeuge wetterfest und bei Notlandungen wesentlich sicherer für die Piloten und Passagiere.

 Junkers-Strömungskörper gleichen Luftwiderstands. Die "Zeppelin-Körper" zeigten 1914 den Weg zum "dicken" Tragflügel auf.

Vollschalen-Versuchsflügel aus Eisenblech im Junkers-Versuchsbau 1911.

Junkers-Windkanalmodell von 1914 mit dickem selbsttragenden Flügel, liegend eingebautem Motor und vollverkleidetem Fahrwerk.

Der selbsttragende "dicke" Flügel der Junkers J.1

Am ersten Flugzeug von Hugo Junkers, der J.1, war fast alles revolutionär: Der dicke Flügel in Vollschalenbauweise aus 0,1 mm dickem Eisenblech, in dem der Kraftstoff untergebracht war; ein Stahlrohrrahmen des Rumpfes, an das die Flügel eingezapft waren; Blechbeplankung des Rumpfes; ein verschwindt eingebauter Motor in der Rumpfspitze; ein klar definiertes Kreuzleitwerk und Mitteldeckeranordnung des Flügels. Selbst das Gewicht von 1.080 kp des Flugzeuges war im Vergleich zu Konstruktionen der Holzflugzeug-Hersteller nicht wesentlich höher. Trotz Untermotorisierung gehörte die J.1 zu den schnellsten Flugzeugen seiner Zeit (180 km(h). Die J.1 hätte mit ihrer Festigkeit sicherlich auch einen doppelt so starken Motor vertragen, zumal er keine zusätzlichen Momente verursachte, denn er lag genau in der Symmetrieebene des Flugzeuges.

Die J.1 vor ihrem Erstflug am 12. Dezember 1915 in Dessau. Das Flugzeug entstand noch in der Badeofenfabrik von Prof. Hugo Junkers.

 

Der selbsttragende "dicke" Flügel der Junkers J.1

Eine logische Konsequenz aus dem dicken Flügel und der Junkers-Windkanalforschung war das "Nurflügler-Patent" von 1910 (DRP 220 124), das alle Lasten in den Flügel legte, damit eine gleichmäßigere Flächenbelastung erreichte und alle widerstandserzeugenden Körper vermied. Um den Flügel sicher steuern zu können, mußte aber ein Leitwerk vorgesehen werden, das, um wiederum Auftrieb und keinen Abtrieb zu erzeugen, in Entenbauweise vor dem Flügel angebracht war. Das Modell der Junkers J.1000 basiert auf diesem Patent, ist aber erst um 1919 entstanden. Die J.1000 sollte 100 Passagiere über den Atlantik befördern können mit etwa 250 km/h.

Die J.1000 hätte gewaltige Ausmaße gehabt: 80 Meter Spannweite und 10 Meter Flügeltiefe bei einer Dicke von 23 Prozent.

Auf der Suche nach dem idealen Flugmotor

Um größere Flugzeuge bauen zu können, mußten erst einmal die Flugmotoren zu höherer Leistungsdichte entwickelt werden. Diese Aufgabe übernahm ab 1919 bei Junkers Prof. Otto Mader, der Konstrukteur der J.1. Man brauchte Motoren von wenigstens 500 PS bei einem Eigengewicht von maximal 150 kg. 

Das Prinzip gegenläufiger Kolben an Schwerölmotoren von Hugo Junkers versprach Gewichtserleichterungen und geringen Kraftstoffverbrauch. Doch die Serienreifmachung dieses ersten Dieselmotors in der Luftfahrtgeschichte erwies sich als extrem zeitaufwendig. Erst 1929 konnte der Jumo FO4 (später Jumo 204 genannt) als einsatzreif angesehen werden. Im Zuge seiner Entwicklung ergaben sich aber viele Erkenntnisse, die auch für Benzinmotoren als nützlich angesehen wurden wie die Benzindirekteinspritzung oder die Schwingungsdämpfung.

Erfolge feierte die Junkers-Diesel in den Flugbooten von Dornier, im größten Landflugzeug der Welt, der Junkers G 38, und in der zivilen Ju 86. Als turboaufgeladener Höhenmotor war er unschlagbar (Jumo 207 in Ju 86P bis 15 km Höhe).

Der Flugdiesel FO4 (Jumo 204) brachte 1929 erstmals Kraftstoffverbräuche von unter 200 g/PSh und durch seine flache Bauweise die Möglichkeit, ihn verschwindt liegend im Flügel unterzubringen.

Das erste Verkehrsflugzeug der Welt - die Junkers F-13

Mit der Junkers F-13 begann das Zeitalter der zivilen Luftfahrt. Mit diesem Flugzeug konnten erstmals Passagiere sicher, trocken und bequem über große Entfernungen bei jedem Wetter befördert werden. Erstmals konnten Flugpläne wirklich eingehalten werden. Das Junkers-Patent auf den Tiefdecker sicherte bei Motorausfall und möglichen Außenlandungen ein hohes Maß an Sicherheit für die Insassen. Obwohl das Flugzeug klein war (4 bis 5 Passagiere) und damit nicht gerade wirtschaftlich, verkaufte es sich wie warme Semmeln, also praktisch von alleine. Über zehn Jahre blieb die F-13 in Produktion. Noch erfolgreicher als die F-13 wurde die W-33, die eine Weiterentwicklung der F-13 darstellte. Rekordflüge in der Höhe, in der Reichweite, in der Flugzeit und in der Schnelligkeit machten die Junkersflugzeuge um die ganze Welt berühmt. Junkers war seiner Konkurrenz immer ein Stück voraus. Deshalb konnte er auch Höchstpreise für seine Flugzeuge verlangen.

Die Ju F-13 von 1919 zeichnete bereits alles aus, was zu einem Verkehrsflugzeug gehört: höchste Sicherheit und Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Bequemlichkeit sowie eine moderne Cockpitausrüstung. Die Basis dafür waren der dicke Flügel, die hervorragende Aerodynamik, die leichte Steuerbarkeit, die gute Stabilität, die Metallbauweise, die Tiefdeckeranordnung, die Doppelsteuerung und nicht zuletzt die hohe Lebensdauer der Zelle.

Die G 38 - eine erste Annäherung an den Nurflügler

Da der Nurflügler wegen seines komplizierten Flugverhaltens nicht in einem Zug entwickelt werden konnte, entschied Hugo Junkers 1928, die G 38 mit einem zwei Meter dicken Flügel zu bauen (der Nurflügler J.1000 sollte einen 2,30 m dicken Flügel bekommen, die Flügeltiefe von 10,0 Metern an der Wurzel war dagegen identisch) und zusätzlich einen großen Rumpf dem Flugzeug zu geben. Im Flügel war ein Teil der Passagiere untergebracht, die sich über eine hervorragende Aussicht durch die verglaste Flügelnase erfreuen konnten. Im Flügelinnern waren außerdem die Motoren befestigt. Extra entwickelte Fernwellen übertrugen die Leistung auf zwei vierblättrige (Junkers L-88-Motoren) und zwei zweiblättrige Holzpropeller (L-55-Motoren).

Von der G 38 wurden zwei Flugzeuge für die Lufthansa gebaut. Sechs weitere G 38 baute Japan in Lizenz. Um 1930 zeichnete sich jedoch eine neue Entwicklungsrichtung im Flugzeugbau ab. Da nämlich die Reisegschwindigkeit der Schnellzüge bereits bei 120 km/h lag, wurden Flugzeuge wie die G 38 und noch viel mehr wie die Do X, die ja eine Wasserfläche zum Landen benötigte, mit ihren 200 km/h immer unattraktiver.

Schellere Flugzeuge mit Geschwindigkeiten über 300 km/h standen nun in den Entwicklungsprogrammen. Doch diese konnten nicht mehr mit über 20 % dicken Flügeln ausgerüstet werden, weil der Widerstand mit der Geschwindigkeit quadratisch anwächst.

Dennoch war die G 38 ein Meilenstein. Erstmals konnten auch in einem mehrmotorigen Flugzeug die Triebwerke aus dem Luftstrom genommen werden. Desweiteren war die Entwicklung der Fernwelle für zukünftige Flugzeuge interessant, besonders was die Beherrschung der Schwingungen anging. Eine weitere Besonderheit war die Möglichkeit, ein so großes Flugzeug auf normalen Flugplätzen starten lassen zu können, wo ja Startstrecken von 600 Metern vorgeschrieben waren (Zu der Zeit glaubten ja Hersteller wie Dornier oder Boeing, daß große Flugzeuge nur als Flugboote die hohen Bodendrücke aushalten konnten). Junkers entwarf für die G 38 ein neues mahrrädriges Fahrwerk, mit dem der große Vogel auf Grasnarbe operieren konnte.

Die gigantische Junkers G 38 von 1929 war das größte Landflugzeug seiner Zeit (nur Dorniers Flugboot Do X war größer). Die G 38 besaß einen 2,0 Meter dicken Flügel, in dem Passagiere untergebracht waren und ein Wartungsgang zu den Triebwerken existierte.

Flugkapitän Otto Brauer am Steuer des Großflugzeuges G 38.

Das Höhenforschungsflugzeug Ju 49 besaß erstmals eine große, voll regelbare, Druckkabine für Höhen bis 13 km

Um große Flugstrecken mit erhöhter Geschwindigkeit fliegen zu können, mußte der Reiseflug in große Höhen (über 10 km Höhe) verlegt werden. Dem standen aber die große Kälte (-56 Grad C.), der geringe Luftdruck (Ein Viertel des Druckes auf Meereshöhe) und der damit zusammenhängende starke Leistungsverlust der Motoren entgegen.

Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) übertrug deshalb der Firma Junkers im Jahre 1928 den Auftrag, ein Höhenflugzeug mit Druckkabine und allen damit zusammenhängenden Entwicklungen zu bauen. Das Kernstück der Ju 49 bildete ein doppelwandige Druckkabine aus Dural für zwei Flugzeugführer. Als Motor kam ein Junkers L-88 mit einer 5.6 m großen Vierblattluftschraube zur Anwendung. Die übrige Zelle war in typischer Junkersbauweise - Duralrohrgerüst, Wellblechbeplankung, Doppelflügel und einfaches Kreuzleitwerk konstruiert.

Auf was es bei diesem Flugzeug ankam, war von der Auslegung her, ein geringes Gewicht, um mit genügend Treibstoff hoch genug fliegen zu können. Entwicklungsseitig aber ging es um die Beherrschung der Druckkabinenkonstruktion und die zu ihrem Betrieb notwendige Regulierung von Druck, Temperatur und Sauerstoffgehalt. Die Druckkabine selbst war doppelwandig für eine bessere Isolation gegen Kälte und Wärme. 

Da man die Fensterscheibeneinfassung sowie die dynamische Belastung durch den Überdruck erst erforschen wollte, konnten nur kleine Bullaugen eingebaut werden. Die Belüftungsregulierung für die Scheiben, die Luftdurchsätze und -temperaturen für die Kabine in den verschiedenen Höhen, die Konstruktion der Regelventile und ihre absolute Ausfallsicherheit waren einige der Probleme, die es zu lösen galt.

Am 2. Oktober 1931 startete die Ju 49 in Dessau zu ihrem Jungfernflug. Nach einer intensiven Werkserprobung wurde das Forschungsflugzeug schließlich 1933 der DVL für die Höhenforschung übergeben. Bei der DVL erreichte die Ju 49 schließlich 13 km Höhe im Jahre 1935.

Die grundsätzlichen Erkenntnisse schlugen sich später bei Junkers (Justus Muttray war bei Junkers der verantwortliche Ingenieur für die Druckkammern) in den Flugzeugen Ju EF-61 (Prototyp eines schnellfliegenden Höhenbombers als Ergänzung zur Ju 88), im Projekt Ju EF-100 (100-sitziges Atlantikflugzeug mit Jumo-223-Dieselhöhenmotor), in der exzellenten Ju 288 (ebenfalls doppelwandige Druckkabine, diesmal aber mit großzügiger Verglasung) und schließlich im Strahlflugzeug Ju 287 nieder, das ständig in Höhen von 11 bis 13 km operierte.

 Höhenforschungsflugzeug Ju 49 mit Höhenkabine.

Mit dem Jumo 210 hält erstmals die elastische Bauweise im Flugmotorenbau Einzug

Was die Messerschmitt Me 109 im Jagdflugzeugbau, ist der Jumo 210 im Flugmotorenbau, nämlich ein Qualitätssprung in eine neue Technikwelt. Um mehr Leistung bei kleinerem Stirnwiderstand und geringerem Gewicht zu erzielen, mußten im Motorenbau grundsätzlich neue Wege beschritten werden. Denn genaue Toleranzen zu erzielen, bedeutete sehr starr zu bauen, was aber zu hohen Motorgewichten führt, die den Leistungsüberschuß für das Flugzeug minimieren. Es ging also um eine völlig neue Bauweise, bei der die Elastizität die Starrheit ablöste, bei der viele kleinere Zylinder wenige große ersetzten, um so zu höheren Drehzahlen und Verdichtungsverhältnissen zu kommen. Daraus ergab sich aber wiederum eine höhere Schwingungsanfälligkeit, die durch geeignete Gegenmaßnahmen wie Gegengewichte und Schwingungsdämpfer abgefangen werden mußte, um Gewicht zu sparen. Alle diese Probleme konnten am Jumo 210 gelöst werden.

Der Jumo 210 (1931 unter der Bezeichnung L-10 entwickelt) ist ein 12-Zylinder-Viertakt-V-Motor mit unter 60 Grad hängenden Zylindern und 19,7 Litern Hubraum. Kolbendurchmesser und Kolbenhub sind nahezu gleich groß (Schnelläufigkeit). Jeder Zylinder besitzt zwei Einlaßventile, wodurch der Füllungsgrad steigt. Die Kurbelwelle besitzt Ausgleichsgewichte, vorn sitzt das Untersetzungsgetriebe, hinten der Lader. Beim Jumo 210 verdoppelte sich die Literleistung gegenüber dem L-5 auf 37,5 PS/l. In seiner ersten Ausführung Jumo 210 (1934) leistete er bei 2.700 u/min 610 PS, in seiner letzten Jumo 210G (1937) 730 PS bei ebenfalls 2.700 u/min.

Die wichtigste Weiterentwicklung war der Jumo 210G, der erste Motor weltweit, der eine direkte Benzineinspitzung (mit automatischer Gemischregelung) besaß, wodurch der Kraftstoffverbrauch entscheidend gesenkt werden konnte. Weitere Vorteile der Direkteinspritzung waren die gesenkte Brandgefahr durch Wegfall des Vergasers sowie die sich daraus ergebende uneingeschränkte Kunstflugtauglichkeit.

1931 begann Prof. Otto Mader bei der Jumo in Dessau mit der Entwicklung des L 10 (später Jumo 210), einem 20-Liter-V-Motor, bei dem der Übergang zur elastischen Bauweise vollzogen wurde. Auffällig ist die glatte Oberfläche des Motors, was die Sichtkontrolle und Wartung vereinfacht. Alle Bauteile waren in der werkseigenen Forschung entwickelt und bei Junkers hergestellt worden. Aus dem Jumo 210 entstand durch eine Storchschnabelvergrößerung auf 35 Liter Hubraum 1938 der meistgebaute deutsche Flugmotor (68.248 Stück), der Jumo 211 (in Ju 87, Ju 88, He 211).

Ein Flugzeug und sein Motor in Symbiose - Die Ju 288 mit Jumo 222

Entwurfsingenieur Hans Wockes lieferte 1939 mit der Ju 288 seine reifste Leistung ab. Dieses Flugzeug bildete den Höhepunkt der gesamten Junkersforschung seit dem Ausscheiden von Prof. Junkers 1933. Wenn dieses Flugzeug 1941 in die Serienproduktion überführt worden wäre, wären alle anderen deutschen Flugzeugwerke (außer die Jäger-Hersteller) zu Sublieferanten des Junkers-Konzerns herabgewürdigt worden. Denn mit der Ju 288 hätte der Luftwaffe ein so überlegenes und vor allem vielseitig einsetzbares Kampfflugzeug zur Verfügung gestanden, daß sich die Produktion anderer Typen einfach nicht mehr gelohnt hätte.

Die Ju 288 stellt ein vollkommen auf den deutschen faschistischen Angriffskrieg ausgerichtetes Flugzeug dar: Es ist extrem klein und damit ressourcensparend. Seine Bauweise ist so zergliedert und gestaltet, daß Nietautomaten verwendet werden können und eine dezentrale Fertigung möglich ist. Die Flugleistungen sind dank der Jumo-222-Motoren und wegen des geringen Stirnwiderstands von Flugzeug und Motoren so überragend, daß es von Jagdflugzeugen nicht gestellt werden kann. Die Zusammenfassung der dreiköpfigen Besatzung in einer vollverglasten Höhenkabine spart am wertvollsten, was die Luftwaffe besitzt, nämlich an voll ausgebildeten und kampferprobten Besatzungen. Und was das schönste an der Ju 288 ist, das war ihre Vielseitigkeit. Nie zuvor hatte es eine "eierlegende Wollmilchsau" gegeben. Die Ju 288 ist es gewesen. Sie war Sturzkampfbomber, Tiefangriffsflugzeug, Höhenbomber, Langstreckenbomber, Zerstörer (Nachtjäger), Torpedoflugzeug, Aufklärer, und das alles bei einer Wendigkeit und Schnelligkeit, die selbst Jagdflugzeugpiloten beeindruckte.

Der Ferdinand-Brander-Motor Jumo 222 zeichnete ebenfalls neue Wege auf. Ein Reihen-Stern-Motor war eine völlig neue Bauweise, die die Vorteile des Reihenmotors (geringer Steueraufwand, kurze Auspuffrohre, geringerer Montageaufwand usw.) mit den Vorteilen der Sternbauweise (Ausnutzung der Stirnfläche, gleichmäßige Kurbelwellenbelastung, geringes Gesamtgewicht usw.) vereinte. Mit dem Jumo 222 erzielte man Literleistungen von über 50 PS. Der Motor war als viersterniger Motor für 2.500 PS ausgelegt, als sechssterniger Motor für 3.750 PS. Bereits 1943 lief der 4-Sterne-Motor auf dem Prüfstand mit 3.000 PS und 1944 in der Flugerprobung in einer Ju 52 als Mittelmotor ebenfalls mit 3.000 PS. Damit flog die Ju 52 statt 290 km/ plötzlich 430 km/h. Der Motor sollte bis 4.500 PS steigerungsfähig sein - eine Leistung, die erst viel später wieder Propellerturbinen erreichten.

Die Ju 288 war speziell für den Motor Jumo 222 entwickelt worden und der Jumo 222 speziell für die Ju 288. Beide gingen damit eine untrennbare Symbiose ein, die hervorragende Kampfeigenschaften zeitigte. Der neue Ansatz an der Ju 288 liegt aber nicht so sehr bei den Flugleistungen und Flugeigenschaften, obwohl diese beeindruckend waren (einmotorige Steigrolle über den stehenden Motor mit der Ju 288 V5 von Matthies geflogen), sondern in 

 

einer neuen Entwicklungskonzeption, die da hieß: Entwicklung der Ju 288 von drei verschiedenen Seiten zugleich, nämlich Kriegspraxis, Fertigung und Forschung. Aus der Kriegspraxis mit der Ju 88 ergab sich die auswechselbare Vollsichtkanzel (Druckkabine), ferngelenkte Abwehrbewaffnung, robustes Fahrwerk, gegenläufige Propeller, hohe Beschleunigung und Endgeschwindigkeit, Sturzflugfähigkeit, und das wichtigste, ein Bombenraum, der alle deutschen Bombenarten und Torpedos im Rumpf aufnehmen konnte. Fertigungsseitig war die Forderung nach billigster und schnellster Fertigung. Das wurde erreicht durch ein neues Maßsystem, das von der äußeren Form nach innen (zu den Anschlußstellen bemaßt wurde), durch eine aerodynamische Formgebung, die auf eine schnelle Fertigung Rücksicht nahm. So wurde nämlich der Rumpf kastenförmig statt rund ausgebildet, damit die einzelnen Rumpfschalen in einem Nietautomaten leicht und genau ausgenietet werden konnten. Und alles das begann aber bei der Forschung, die an der Ju 288 in alle Richtungen betrieben wurde. Erstmals kam ein Flattermodell neben den Windkanaluntersuchungen zur Anwendung. Die großen Flughöhen der Variante B verlangte nach aerodynamischen und flugmechanischen Untersuchungen in dünner Luft, die zu einer neuen Flügelform führten. Viel Aufwand mußte beim Motor mit seiner Preßwasserkühlung betrieben werden, damit der Motor in allen Flugphasen ausreichend gekühlt wurde, denn das Flugzeug erreichte Höhen von 11 km und flog über einen großen Geschwindigkeitsbereich. So kam es, daß die Entwicklung der Ju 288 mehr als 65 Millionen RM verschlang, ohne Motor.

Will man die Leistungen der Ju 288 richtig beurteilen, muß man sie mit dem leistungsfähigsten US-Bomber Boeing B-29 vergleichen. Der Höhenbomber Ju 288 B konnte 4,0 Tonnen Bomben über eine Strecke von 3.600 km tragen und 2,0 Tonnen über 6.700 km. Die B-29 konnte 4,5 Tonnen über 5.150 km tragen. Die Ju 288 benötigte dafür ein Startgewicht von 20 Tonnen, die B-29 eines von 62 Tonnen. Die Ju 288 hatte nur 3 bis 4 Mann Besatzung, die B-29 benötigte 10 Mann. Die Ju 288 flog in 11 km eine Höchstgeschwindigkeit von 690 km/h, die B-29 eine von 575 km/h. Die Steiggeschwindigkeit am Boden betrug bei der Ju 288 über 8 m/s, die der B-29 4 m/s. Die Ju 288 konnte bis 13,6 km Höhe steigen, die B-29 bis 10,2 km. Aus einer B-29 konnte man drei Ju 288 bauen. Eine Ju 288 konnte sich im Sturzflug auf ihr Ziel stürzen, eine B-29 wäre dabei auseinandergebrochen. Eine Ju 288 konnte im Tiefflug angreifen und mit wenigen Bomben viele Ziele vernichten. Eine B-29 mußte aus großen Höhen (8-10 km) bombardieren und traf dabei mit vielen Bomben zufällig auch mal ein Ziel. So viel zur "berühmten" B-29. 

(ausführlich in Holger Lorenz. "Kennzeichen Junkers", Seiten 164 bis 197)

Niemals zuvor im Flugzeugbau waren Flugzeug- und Motorenentwicklung so eng verknüpft wie an dem Mehrzweck-Kampfflugzeug Ju 288 und seinem Motor Jumo 222. Noch unter der Leitung von August Quick entwarf Hans Wocke 1936/37 das Ablösemuster der Ju 88, die Ju 288. Und ebenfalls 1937 entwickelte der neu zu Junkers gestoßene österreichische Konstrukteur Ferdinand Brandner den neuartigen Reihen-Stern-Motor Jumo 222. Sowohl das Flugzeug als auch den Motor zeichneten kleinste Abmessungen und größte Leistung aus. Der Erstflug einer Ju 288 (V5) mit zwei Jumo 222 ( V08 und 09) erfolgte am 18. Oktober 1941 mit Flugkapitän Hans-Joachim Matthies am Steuer. (Das Bild zeigt den Höhenbomber Ju 288B auf der Junkers-Mappe für das RLM 1942.)

Der Jumo 222A lief als Vollmotor erstmals am 24. April 1939. Im März 1940 konnten erstmals 2.000 PS nachgewiesen werden. Für neun Ju 288, fünf Fw 191 und drei Do 317 baute Junkers 43 Vorserienmotoren.Insgesamt sind bis Kriegsende nur 282 Junkers-Motoren Jumo 222 gebaut worden. Eine Serienproduktion hat nie stattgefunden, weil das Werk Wiener-Neudorf ohne Werkzeugmaschinen und Arbeitskräfte nicht produzieren konnte, und eine etwas kleinere Serienproduktion bei Jumo Köthen abgesetzt worden ist. (ausführlich in "Kennzeichen Junkers", S. 170-175)

Das Jumo 004B ist das erste serienreife Strahltriebwerk der Welt

Das Jumo 004B spielt als erstes serienreifes Strahltriebwerk (rund 6.000 Stück während des Kriegs produziert) und als erstes Axialtriebwerk nach dem Krieg die Rolle eines Schulungstriebwerkes für alle Triebwerksbauer in der Welt. Die erbeuteten Triebwerke wurden in England, den USA und Frankreich zerlegt und studiert, im Flug und auf Prüfständen getestet, und in der UdSSR sogar weiter in Serie produziert. Etliche ausländische Triebwerke bauen auf dem Jumo 004 auf, so das Rolls-Royce "Avon" oder das Mikulin AM-3.

1939 gab das RLM an alle deutschen Triebwerkshersteller den Auftrag zur Entwicklung von Strahltriebwerken. Gefordert wurde ein Schub von 600 kp im Standbetrieb. Prof. Otto Mader beauftragte Dr. Anselm Franz mit der Entwicklungsleitung für das Gerät 109-004. Da Mader wußte, daß Strahltriebwerke für diesen Krieg zu spät kommen würden, setzte er nur wenige Ingenieure zur Gruppe von Anselm Franz um (Dr. Werner Beck, Heinz Möllmann, Dr. Josef Vogts, Johann Hager), die allerdings alle Freiheiten hatten und andere Abteilungen wie Festigkeit und Schwingungen, Werkstoffe etc. zuarbeiten lassen konnten. Die entscheidende Vorgabe von Otto Mader war, zunächst nur ein relativ anspruchsloses Versuchstriebwerk zu bauen, das schnell lauffähig gemacht werden sollte, um genügend Zeit zur Ausmerzung der Kinderkrankheiten aber auch zum Studium der Prozesse an solch einer vollkommen neuen Wärmekraftmaschine zu haben.

Im Gegensatz zu den bereits existierenden Heinkel-Triebwerken (die He 178 war am 29. August 1939 mit He S3B in Rostock geflogen) und den englischen Whittle-Triebwerken erhielt das Jumo 004 einen Axialverdichter. Insgesamt acht Stufen ergaben ein Verdichtungsverhältnis von 3,1, kaum höher als ein Radialtriebwerk. Der entscheidende Vorteil war allerding der viel geringere Stirnwiderstand. Der Durchmesser betrug nur 76 cm (He S3B gleich 1,20 m), sodaß der Stirnflächenschub von 438 (He S3B) auf 1.956 kp anstieg. Bereits am 11. Oktober 1940 lief das erste Versuchstriebwerk auf dem Prüfstand, im Dezember erreichte es die Volldrehzahl von 8.700 u/min und am 6. August 1941 die geforderten 600 kp Schub und im Januar 1942 sogar 1.000 kp. Das Triebwerk wurde dann auf sogenannte Sparstoffe zum Jumo 004B umkonstruiert und ging so in die Serienproduktion. In der Hauptsache wurde es dann in den Strahljäger Me 262 eingebaut. Auch die Ju 287B-1 sollte sechs Jumo 004B erhalten. Doch da kam der 8. Mai 1945 dazwischen. In der Sowjetunion flog dann schließlich die Ju EF-131 (Variante der Ju 287) mit sechs Jumo 004B bis zu einer Geschwindigkeit von Mach 0,92 noch gut steuerbar.

Schnittbild des Junkers-Strahltriebwerkes Jumo 004B von 1942. Der Regelpilz in der Schubdüse paßte die Arbeitstemperatur an die Triebwerksleistung an. Die vollautomatische Regelung machte das Jumo 004B zu einem recht zuverlässigen Triebwerk. Sogar das BMW 003 mußte die Junkers-Regelung nachträglich erhalten, um stabil lauffähig zu werden.


Der Pfeilflügel und die Junkerssche Flächenregel

Der Pfeilflügel ist eine deutsche Erfindung (Adolf Busemann), seine praktische Verwirklichung auch. Besonders hervorgetan hat sich dabei die Firma Junkers mit ihrem Entwurfsaerodynamiker Dr. Georg Backhaus und die experimentelle Aerodynamik im Junkers-Forschungswindkanal mit dem Kanalleiter Otto Frenzl und seinem Assistenten Werner Hempel. Backhaus schlug für den Strahlbomber Ju 287 den Pfeilflügel vor, und Frenzl und Hempel entdeckten dann an den Windkanalhalbmodellen der Ju 287 bereits 1943 die Flächenregel, neun Jahre vor Whitcomb in den USA.

Der erste Pfeilflügel 287 flog an einem Behelfsflugzeug aus He 177 und Heck Ju 188 am 16. August 1944. Mit dieser Ju 287 Vv1 konnte das Langsamflugverhalten des Pfeilflügels erprobt und sich an Geschwindigkeiten zwischen 500 und 600 km/h herangetastet werden. Für höhere Geschwindigkeiten war das Behelfsflugzeug ungeeignet. Am 12. Juli 1946 stand dann endlich die erste richtige Ju 287 in Dessau auf der Startbahn. Ihr Erstflug erfolgte aber nicht mehr in Dessau, sondern in Ramenskoje bei Moskau im März 1947.

Pfeilflügel und Flächenregel gehören untrennbar zusammen. Bei Annäherung an die Schallgeschwindigkeit treten wegen der neuen physikalischen Eigenschaften der hochbeschleunigten Luft Verdichtungsstöße auf, die nur verhindert werden könnten, wenn man mit einem Flügel wie eine Rasierklinge fliegen könnte. Da das aus Festigkeitsgründen nicht geht (der Flügel muß ja eine Mindestdicke haben, um genügend steif zu sein), kann man den Beginn der Verdichtungsstöße nur hinauszögern. Das geschieht durch die Pfeilung. Der Kosinus des Pfeilwinkels ist dabei theoretisch der Faktor für die wahre Strömungsgeschwindigkeit (also bei 25 Grad Pfeilung ist der Kosinus 0,9 multipliziert mit der Anströmung von Mach 0,9 ergibt sich eine wahre Anströmgeschwindigkeit von Mach 0,81 am Pfeilflügel). Praktisch ist sie aber niedriger, weil diese Rechnung ohne die Flächenregel gemacht ist. Die Flächenregel verlangt von allen frei im Luftstrom liegenden Flugzeugbauteilen, daß ihre Querschnitte aufsumiert von der Spitze an gleichmäßig zunimmt und zu Heck wieder abnimmt, wobei die absolute Höhe der Sumanden möglichst klein ist. Bei Junkers hat man das alles bereits 1943 gewußt, so daß man bewußt dazu übergehen konnte, neue Flugzeuge von Anfang an nach der Flächenregel auszulegen, was tausende Windkanalstunden und tausende schlaflose Nächte der Entwurfsingenieure, Aerodynamiker und Konstrukteure einsparen hilft. Kurz, die Flächenregel ist nicht mit Gold zu bezahlen (ausführlich nachzulesen in Holger Lorenz: "Start ins Düsenzeitalter" und "Kennzeichen Junkers").

Die dritte gebaute Ju 287 mit um 20 Grad nach vorn gepfeiltem Flügel wurde in der UdSSR unter Leitung Brunolf Baades zur Ju EF-140 mit zwei Mikulin-Triebwerken AM-1 (2 x 3.300 kp) umkonstruiert. Die Ju 287 war aufgrund ihres Pfeilflügels bei gleichem Gewicht wie die JL-28 und Tu-14 wesentlich leistungsfähiger. Das betraf die Reisegeschwindigkeit, die 160 km/h höher lag, als auch damit im Zusammenhang die Reichweite, die bei angenommener gleicher Triebwerksanlage (WK-1) etwa 500 km hätte höher sein können als bei der IL-28 (2.200 km) und Tu-14.