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De Havilland Comet 1

 

Am 2. Mai 1952 eröffnet die BOAC mit der Comet 1 den Strahlverkehr auf der Route nach Südafrika.

 

Das schönste Flugzeug der Welt wird 1949 in England geboren

Die Comet 1 war eine Pioniertat allerersten Ranges, nur noch vergleichbar mit der Junkers J.1 und der überschallschnellen Tu-144. An ihr war außer dem Me-262-Flügel und dem Leitwerk alles andere restlos neu. Angefangen beim Cockpit, über das Fahrwerk, die hydraulische Steuerung, die Klimaanlage bis hin zu all den vielen kleinen Teilen, die den Temperaturschwankungen von -700 bis +700 standhalten müssen. Und durch den schwach gepfeilten Flügel kam die Comet noch zu einem weiteren Novum – nämlich dem Rumpf-Stretching als Entwurfsprinzip.

De Havilland war 1941 nach Rolls-Royce die zweite Firma Englands mit eigener Strahltriebwerksentwicklung. Auf der Basis der Eigenentwicklung „Goblin“ schlug Geoffrey de Havilland dem Brabazon-Komitee ein Passagierflugzeug für 24 Passagiere in der Größe der DC-3 und ihrem Rumpfdurchmesser von 2,39 m vor. Nach weiteren Studien und der Gewißheit, daß sich aus dem Goblin eine noch stärkere Turbine, nämlich das spätere „Ghost“, entwickeln ließ, kam das Projektbüro zu dem Schluß, lieber gleich ein Flugzeug für 40 Passagiere mit den Abmessungen der DC-6 zu entwickeln, d.h., einer Kabinenbreite von 2,97 m. Durch diese Breite konnte in der DC-6 eine 4er-Sitzreihe installiert werden, die zur Not sogar auf fünf Plätze pro Reihe verbreitert werden konnte. Diese Variabilität sollte auch die Comet auszeichnen.

Neben dieser Variabilität in der Breite sollte ergänzend eine in der Länge hinzukommen. So bekam das Flugzeug sein späteres Längenwachstum gleich mit in die Wiege gelegt. Aus der Kabinengröße und der Triebwerksleistung auf der einen Seite, sowie dem neuen Flügel, abgeleitet aus der Me 262, und einer möglichst niedrigen Flächenbelastung, ergab sich eine Flügelfläche von fast 190 m2. Die gesamte Oberfläche der Comet summierte sich auf 750 m2. Wegen der geringen Flächenbelastung von rund 250 kp/m2 genügten einfache Spreizklappen als Landehilfe. Daß die Triebwerke verschwindt im Flügel Platz finden sollten, stand von Anfang an fest, denn es mußte wegen der geringen Triebwerksleistungen jeglicher zusätzlicher Widerstand vermieden wer-
den. Das betrafauch den Einbau der Antennen, der Lüftungsschlitze und der Ruder. Der absolute Zwang zu einem niedrigen Struktur- und Ausrüstungsgewicht wegen schwacher Triebwerke belastete und befruchtete die Arbeit. Die Rumpfkonstruktion, die sehr stark an die DC-6 angelehnt blieb und die laut Bauvorschrift 3,75-fache Sicherheit aufweisen mußte, kam mit einer Spanthöhe von 7,7 cm aus bei einer Hautdicke von 0,71 mm bzw. 0,91 mm im Fensterbereich. Durch das im Krieg entwickelte Redux-Klebeverfahren zur Verbindung von Holz und Metall (bei der DH Hornet erstmals verwendet) und die Weiterentwicklung zu einem reinen Metallklebeverfahren, angewendet nach dem Krieg bei der DH Dove und Heron, entstand eine äußerst feste Schale, die der Comet letztlich zum Verhängnis wurde, weil sie statisch etwas vortäuschte, was als dynamische Festigkeit nicht vorhanden war. Redux wurde auch im Flügelbereich eingesetzt, auch hier wieder zwischen Haut und Stringern. Ähnlich erfolgreich wendete übrigens die US-Firma Convair das Klebeverfahren am Großbomber B-36, der Sea Dart, der Tradewind oder dem Deltajäger F-102 an. Der Convair-Überschallbomber B-58 „Hustler“ hätte ohne das Kleben kaum Durchschlagskraft erzielt.

Aerodynamisch war die Comet auf eine Reisegeschwindigkeit von 800 km/h ausgelegt. Mit den Triebwerken Ghost kam sie aber nur auf 725 km/h. Das waren 200 km/h weniger als beim Entwurf mit 400 Pfeilung. Dafür bekam die neue Comet eine spitzer zulaufende Nase, und diese ward, wie Chefkonstrukteur Ronald E. Bishop im „Aeroplane“ ausplauderte, wie ein Flügelprofil geformt. Die Unterbringung der Radialtriebwerke mit 1,34 m Durchmesser in der Flügelwurzel setzte vom Entwurf her keine Glanzpunkte. Das war für die Triebwerke selbst ungünstig (Flügelwurzellänge 9,0 m), für das Fahrwerk und besonders für das Kraftstoffvolumen. Besser wären sie im Flügelknick aufgehoben gewesen. Von Anfang an aber war geplant Axialtriebwerke einzubauen, um zu größeren Flugleistungen zu kommen. (Ausführlich in Holger Lorenz: "Start ins Düsenzeitalter" Seiten 66 bis 131.)

Die De Havilland D.H. 106 Comet 1 zeichnete sich durch eine ungeahnt reibungslose Entwicklung aus

Hinter vorgehaltener Hand berichtete man sich auf der Flugschau in Farnborough über Gewichtsprobleme der Comet. Und in der Tat, die waren gravierend. Aber nicht, weil sich die Konstrukteure verrechnet hatten, sondern weil der erste Prototyp im Versuchsbau der De-Havilland-Werke in „Handarbeit“ hergestellt worden war. Um die Zelle schneller fertigzustellen, entschied man sich für die weitgehende Handnietung der Behäutung statt des Redux-Klebeverfahrens, das Haltevorrichtungen benötigte. Der Prototyp soll angeblich 900 kg über der Spezifikation gelegen haben. Genaue Zahlen werden wohl ewig das Geheimnis des Herstellers bleiben. Kein Geheimnis blieb, daß de Havilland auf die Lackierung zugunsten einer Sitzreihe verzichtet hat, was ungefähr 400 kg gespart haben soll.
Ansonsten zeichnete sich die Comet durch eine ungewöhnlich reibungslose Erprobung aus, und das, obwohl die Comet bei jedem Aggregat und in jedem Detail eine völlige Neukonstruktion darstellte. Die Wochen vor der Flugschau standen ganz im Zeichen der Erprobung von allgemeinem Flugverhalten und der einzelnen Aggregate. Danach, also im Oktober 1949, begann dann die eigentliche Flugerprobung mit den Leistungsflügen. Im Oktober 1949 erzielte der erste Prototyp bei einem Flug nach Castel Benito in Libyen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 720 km/h. Eine andere Demonstration der Leistungsfähigkeit der Comet zeigte John Cunningham am 18. März 1950, als er einen Flug von Hatfield nach Rom-Ciampino, den er zwei Jahre zuvor schon mal mit dem Düsenjäger DH Vampire und einer Geschwindigkeit von 520 km/h gemeistert hatte, diesmal mit der Comet in 2 Stunden und zwei Minuten im Hinflug und nachmittags in 2 Stunden und 4 Minuten im Rückflug, also mit durchschnittlich 724 km/h schaffte.

De-Havilland-Chefpilot John Cunningham im Testflugzeug für die Comet – in der DH 108 Swallow.

Zur Erhöhung der Reichweite wurden auch Luftbetankungen erprobt. So flogen John Cunningham und Peter Bois am 14. Dezember 1950 einen Neunzigminutenflug mit Betankungsattrappen. Der Tanker war eine langsame Lincoln. Dieser erste Versuch wurde trocken, also ohne Kraftstoff, durchgeführt. Die zu leichte Sonde flatterte dabei hin und her, so daß nur mit allergrößter Mühe das Andocken gelang. Es zeigte sich aber schnell, daß derartige Flugmanöver nicht mit Passagieren an Bord zu machen sein würden.
Beim ersten Prototypen, der eine rein mechanische Steuerung besaß, stellte sich gegen Ende der Flugerprobung und erst nach den Flattertests ein Schwingungsproblem ein. Co-Pilot Peter Bois:
„Auf einem dieser Einflüge war das Flugzeug einige Knoten unter Höchstgeschwindigkeit, als Flattern einsetzte. Die Instrumente waren nicht mehr ablesbar und der Absturz schien unmittelbar bevorzustehen. John Cunningham, im linken Sitz, zog sofort die Drosselhebel zurück, während ich die Luftbremsen ausfuhr. Das Flugzeug schien den Atem anzuhalten, wurde langsamer, hörte aber erst bei 270 Knoten mit Rütteln auf. Woher das Flattern kam, konnte in dem Moment nicht festgestellt werden. Daraufhin wurde eine ganze Reihe von Einflügen aufgenommen, um die Ursache zu finden. Das Flugzeug wurde voll Meßinstrumente gestopft. Während der Flüge wurden Machzahl und Höhe erforscht. Das Flattern trat aber nur in einem ganz kleinen Bereich auf. Nach und nach schälte sich heraus, daß am Ruder des Höhenleitwerks gerade Drehpunkt und  Schwerpunkt so zusammenfielen, daß sich im besagten Bereich keine Dämpfung einstellte, die das Beginnen des Flatterns verhindert hätte. Daraus war zu schlußfolgern, daß die am Außenausgleich sitzende Masse zu gering dimensioniert war.“

Die Comet 1 über dem Victoria-See. Ab 1952 standen die Airlines bei De Havilland Schlange, um Kaufverträge für die Comet 2 mit Axialturbinen Rolls-Royce "Avon" zu schließen.

Daß die G-5-1 überhaupt eine abweichende Steuerung besessen hat, lag daran, daß man dem Testpiloten keine Maschine zumuten wollte, bei der er keine Luftkräfte spürte. Auf diese Weise wurden die Testflüge sicherer und die Entwicklung beschleunigt, weil der Testpilot genaue Angaben zum Verhalten des Flugzeuges in allen Situationen machen konte.
Bis Juli 1950 erreichte der Prototyp 324 Flugstunden. Im April und Mai fanden die tropischen Versuche in Nairobi und Eastleigh statt, wo die Startstrecken für hohe Lufttemperaturen und für große Höhen über Meeresspiegel ermittelt wurden. Aus den Versuchen ergaben sich keinerlei Beschränkungen der errechneten Leistungen. So lief das Einflugprogramm glatt durch, und die Comet erwarb immer mehr Sympathien.

Der erste Prototyp G-ALVG bei der Flugschau in Farnborough im September 1952 mit den großen Hauptfahrwerksrädern.

Die Kometen der BOAC brechen Rekord um Rekord

Die Comet 1 G-ALYY der BOAC als Regierungsflieger: Sie brachte die Vertreter des englischen Außenministeriums zur EG-Außenminister-Konferenz 1953 nach Bonn.

An keinem anderen Flugzeug der BOAC wirkten die royalblauen Streifen so königlich wie an der Comet. Und so souverän wie die BOAC sich bei der Entwicklung der Comet engagiert hatte, genauso souverän flog die Comet-Flotte für diese Fluggesellschaft Gewinne ein. Doch der Vorstand des Unternehmens wußte von Anfang an um die Entwicklungsmöglichkeiten der Comet, weshalb er sich ein Vorkaufsrecht auf alle neuen Modelle gesichert hatte. So erwarb BOAC die risikobehaftete erste Serie mit der Gewißheit, daß mit der Comet 2 ihr Technikvorsprung uneinholbar wird.
 

Vorsprung durch Technik war das unausgesprochene Motto der frühen BOAC. Die enge Verknüpfung von BOAC und de Havilland bildete das finanzielle Fundament für den zügigen Fortgang der Entwicklungsarbeiten an der Comet. So half die frühe Bestellung von 14 Flugzeugen durch die BOAC und ihrer Südamerika-Linie BSAA de Havilland zum Serienanlauf, ohne daß ein fertiger Prototyp zur Verfügung stand. Allerdings mündeten mit der Wiedereingliederung der BSAA in die BOAC im Jahre 1951 deren sechs Bestellungen in die Fortschreibung auf die Comet 2, da der Comet 1 die Südamerika-Reichweite fehlte (Die eine Comet 1, die die BOAC zusätzlich erwarb, war einfach nur übrig. Sie konnte zu Ausbildungszwecken genutzt werden und zur Reserve).
Schon lange vor der Aufnahme des Liniendienstes am 2. Mai 1952 flogen die Kometen der BOAC auf den zukünftigen Strecken, um Erfahrungen mit Wind, Wetter und den Abfertigungsbedingungen in den einzelnen Ländern zu sammeln. Als erstes Flugzeug flog der zweite Prototyp in den BOAC-Farben als G-ALZK ab 2. April 1951 etwas über 30 Stunden für spezielle Leistungsmessungen wie Start- und Steigleistungen, Kraftstoffverbrauch in den einzelnen Roll- und Flugphasen. Es schlossen sich allgemeine Navigationsflüge mit der Erprobung verschiedener Methoden zur Bodenunterstützung an (in weiten Teilen Afrikas gab es keine Bodenstationen mit entsprechender Funk- und Peilausrüstung).

Diese Versuche dauerten zwischen 20 und 30 Flugstunden. Den Abschluß bildeten zwölf Langstreckenflüge beginnend im Mai 1951 nach Rom, Kairo und Beirut, im Juli nach Johannesburg, im August nach Indien und im Oktober 1951 nach Singapur und Djakarta. In dieser Zeit sammelte der zweite Prototyp 470 Flugstunden an. Noch vor der geplanten Aufnahme des Service am 2. Mai 1952 stießen weitere Serienflugzeuge zur Linienerprobung hinzu. So erhielt die BOAC ihre erste Serienmaschine G-ALYS am 31. Dezember 1951. Am 6. März 1952 kam die G-ALYU, am 13. März die G-ALYP und am 23. April 1952 die G-ALYV dazu, so daß die BOAC zu Servicebeginn über vier Serienflugzeuge verfügen konnte. Die G-ALYP eröffnete dann an diesem denkwürdigen 2. Mai 1952 den Linienverkehr nach Johannesburg. Das Flugzeug war als allererstes Serienflugzeug gebaut worden und wurde zum Flaggschiff der BOAC-Flotte mit den meisten Einsätzen.

Überall, wo die Comet zum Einsatz kam, fielen die bis dahin geltenden Geschwindigkeitsrekorde. Das lag nicht allein am Flugzeug, sondern auch an den geschulten Bodenmannschaften, die Abfertigungszeiten von 30 Minuten schafften. Hier die Pressemeldung der englischen BBC zum Eröffnungsflug:
Das erste Strahlverkehrsflugzeug der Welt erschloß heute die Strecke London – Johannesburg für den Düsenverkehr. Der BOAC-Komet G-ALYP startete um 15.12 Uhr lokaler Zeit auf dem Londoner Flughafen mit 36 Passagieren an Bord unter dem Jubel der Menge. Die de Havilland Comet 1 wird, während sie die technische Führung Britanniens unterstreicht, gemeinhin als der Beginn einer neuen schnelleren Ära im Flugverkehr betrachtet. Zum aerodynamisch sauberen Entwurf des Flugzeuges gehört die Unterbringung der vier Ghost-50-Triebwerke in den Flügeln. Die Reisedauer der 7.000 Meilen nach Johannesburg wird mit 23 Stunden und 40 Minuten veranschlagt, inbegriffen die fünf Zwischenlandungen in Rom, Beirut, Khartoum, Entebbe und Livingstone. Sir Miles Thomas, der Vorsitzende der BOAC, wird in Livingstone zusteigen. Wegen der Länge der Reise wird die Mannschaft in Beirut und dann noch einmal in Khartoum ersetzt. Jeder Passagier erhält auf diesem historischen Flug eine spezielle Erstflugbescheinigung unterschrieben vom Flugkapitän des ersten Teils A.M. Majendie. Das einzelne Ticket kostet £175 und mit Rückflug £315, der selbe Preis wie auch für die BOAC-Kolbenmotorflugzeuge.

Die Afrika-Route nach Johannesburg wurde unter dem Namen  „Springbock-Route“ bekannt, weil die BOAC durch die beschränkte Reichweite der Comet zu ständigen Zwischenlandungen gezwungen war. Dasselbe galt auch für die Routen nach Colombo, Bangkok und Tokio, die wenig später mit der Comet 1 beflogen wurden. Die ersten drei Serienflugzeuge hatten ein maximales Abfluggewicht von 107.000 lb (48.434 kg), die letzten sechs kamen auf 110.000 lb (49.895 kg). Die Startbahnen der Flughäfen reichten aber für das maximale Abfluggewicht unter widrigen Wetterverhältnissen nicht aus. In der Praxis muß aber für alle Eventualitäten vorgesorgt werden, so daß man bei der BOAC gezwungen war, die Entfernungen zwischen den Flughäfen auf maximal 1.850 km zu begrenzen. Die normale Comet 1 soll Bahnlängen von 2.450 Metern benötigt haben. Kritisch waren die Startbahnlängen in Khartoum (2.150 m), Kalkutta (2.135 m) und Colombo (1.830 m). Hinzu kamen hohe Durchschnittstemperaturen von 32,60 C in Khartoum, von 320 C in Kalkutta und von 27,40 C in Colombo. Im 1.141 Meter hoch gelegenen Entebbe ließ die BOAC gleich einen neuen Flughafen errichten mit einer Bahnlänge von 3.050 Metern. Besserung versprach erst die mit leistungsstarken Avons ausgerüstete Comet 2 mit einer Startstrecke von 2.100 Metern unter Berücksichtigung eines Triebwerksausfalls beim Start.

Die BOAC beflog Ende 1952 drei extrem lange Strecken, die nach Südafrika mit 10.800 km, die nach Colombo in Vorderindien mit 9.590 km und die nach Singapur mit 12.600 km. Ab April 1953 flog sie dann zweimal die Woche noch nach Tokio. Auf dieser 16.700 km langen Strecke waren neun Zwischenlandungen nötig. Trotzdem florierte das Geschäft, denn die Reisezeit verkürzte sich von 86 Stunden auf 36 Stunden. Die acht eingesetzten Comet waren im Schnitt täglich mindestens acht Stunden in der Luft. Die vielen Starts belasteten aber auch sehr stark die Zelle.

In der zusammen mit der BOAC entworfenen Kabine fühlten sich die 28 Reisenden gut aufgehoben. Ein Sitzabstand von 1,15 m und eine Sitzbreite von 62,5 cm in Verbindung mit einem voll verstellbaren Liegesitz sorgten für Behaglichkeit. Dazu kam die Ruhe und die ständig „besungene“ Vibrationsfreiheit. Weniger verschwenderisch in den Platzverhältnissen ging es in der vorderen kleinen Kabine zu, die zwischen die beiden Vollspante eingeklemmt war und deshalb nur 2,13 m in der Länge maß. Hier paßten keine zwei Liegesitze hintereinander, so daß sich die BOAC sehr schweren Herzens entschließen mußte, diesen Raum als Raucher-Clubraum einzurichten, wo dann zwei Sitzbänke einander zugekehrt standen mit einem schmalen Tisch dazwischen. Selbst die Comet 2 wies noch dieses Abteil auf, in dem aber jetzt zwei Stuhlreihen hintereinander, allerdings nur noch in 99 cm Abstand, dafür sorgten, daß dieser Raum an zahlende Passagiere nutzbringend verkauft werden konnte.

Der BOAC war von Anfang an klar, daß die erste Comet-Serie im Prinzip nur dafür diente, den Strahlverkehr organisatorisch und technisch aufzubauen, um ihn anschließend mit der zweiten Generation von Comet-Flugzeugen wirtschaftlich zu gestalten. Ende 1953 schloß die BOAC ihr erfolgreichstes Jahr ab – zusammen mit der gesamten britischen Luftfahrtindustrie. Großbritannien hatte Flugzeuge im Wert von 72 Millionen Pfund Sterling (874 Mio. DM) exportiert. Die BOAC hatte dank der Comet ihren Umsatz von 1951 zu 1952 von 24 Mio £ auf 33 Mio £ und schließlich 1953 auf 36 Mio £ steigern können. Ein Reingewinn von 2,1 Mio £ stand zu Buche. Allein davon ließen sich schon vier leistungsstarke Comet 2 bezahlen. So blickten die BOAC-Verantwortlichen  zuversichtlich in die Zukunft. Verhieß sie doch Führungsanspruch weltweit.

Die explosive Dekompression der Comet-Druckkabine in Höhen ab 8,13 Kilometer

Sichere Druckkabinen bauen ist ein Privileg, daß sich Zellenkonstrukteure hart erarbeiten müssen. Es gibt aber zwei Arten von Druckkabinen.  Diejenigen, die einen Druck bis 0,528 Atmosphären Überdruck (atü) aushalten, und diejenigen, die noch größeren Druckunterschieden widerstehen. Zur ersten Kategorie zählen die Druckkabinen der DC-6, Lockheed Constellation und Boeing Stratocruiser mit maximalen Überdrücken von 0,29 bis 0,48 atü. Zur zweiten Kategorie zählt die Comet mit 0,58 atü sowie alle modernen Passagierflugzeuge mit Überdrücken bis 0,63 atü (Boeings Dreamliner liegt wohl sogar schon bei 0,7 atü).
Junkers baute 1928 die erste Druckkabine in eine Ju 49 ein. Weitergehende Forschungen führten 1937 zur Ju/EF-61 und 1940 zum Atlantikquerer Ju/EF-100 für Reiseflughöhen zwischen 9 und 12,3 km. Die Ju 100 blieb Projekt, aber die Erfahrungen erhalten. Neben Junkers in Deutschland gab es nur noch Boeing und Convair in den USA, die einige Erfahrungen mit extremen Höhenkabinen aufzuweisen hatten. De Havilland dagegen hatte nicht die geringste Erfahrung. Das größte Flugzeug, das de Havilland vor der Comet gebaut hatte, war die DH 91 Albatross für 22 Passagiere, natürlich ohne Druckkabine. De Havilland war dagegen bekannt für einen extremen Leichtbau und für ausgefeilte Aerodynamik. So war die DH 98 Mosquito ein in Holzschalenbauweise ausgeführter leichter Schnell-Bomber mit vorzüglichen Flugleistungen.

Nachweis des Risswachstums im Wassertank an der Comet G-ALYR. Die durch die Fensterausschnitte unterbrochene Duralhaut bekam kleine Knicke, die drei vier Flüge später den Ausgangspunkt für mehrere Meter lange Risse bildeten.

Deshalb nimmt es nicht wunder, wenn sich de Havilland die DC-4/6 zum Vorbild für die Comet 1 nahm: gleiche Spannweite, gleiche Länge, gleiches Rumpfinnenmaß und ähnliche Rumpfkonstruktion. Selbst das an den DH-Düsenjägern erarbeitete Wissen über Druckkabinen nutzte nicht viel für die Comet, denn Jagdflugzeuge werden für die allerhöchste Beanspruchungsgruppe 5 entworfen, so daß sie Lastvielfache von 7 bis 8 g überstehen. Bei solchen Flugzeugen ist natürlich die statische Festigkeit genügend hoch, um die dynamische Festigkeit gleichzeitig mit zu garantieren. Desweiteren sind Jägerdruckkabinen viel zu klein, als daß es hier zu einer explosiven Dekompression kommen könnte.
Die Explosionen der G-ALYP und der G-ALYY trafen de Havilland also vollkommen unvorbereitet. Die Untersuchung der Vorgänge an einem Plexiglasmodell während einer explosiven Dekompression brachte Licht ins Dunkel der englischen Zulassungsvorschriften.

Die RAE hatte in das Modell eines Comet-Rumpfes Sitze und Puppen eingebracht und das Ganze während der Dekompression mit einer Zeitlupenkamera gefilmt. Das Ergebnis, das sich mit den tatsächlichen Ereignissen deckte, war folgendes: In den ersten 0,03 sec riß an der Rumpfoberseite der G-ALYP zwischen den beiden ADF-Fenstern die Haut mehrere Meter längs auf, so daß eine explosive Dekompression entstand, wo bereits bei den hinteren Passagieren die Köpfe nach vorn sausten. Nach nur 0,1 sec brach das Chaos los. Sitze samt Passagieren flogen gegen die Kabinendecke, die nun völlig auseinanderbrach. Nach 0,5 sec war die Explosion auf dem Höhepunkt angelangt. Die Seitenschalen des Rumpfes flogen gegen die Tragflächen, die G-ALYP geriet aus der Flugbahn, die Zelle erlitt übergroße Beschleunigungen, worauf Außenflügel und Cockpit wegbrachen, sich der ausfließende Kraftstoff entzündete und das ganze Mittelteil zu brennen anfing. Nun brach auch noch das Heck ab. Die Explosion der Druckkabine war da aber längst abgeschlossen. Die dauerte insgesamt nur rund zwei Sekunden. Die Insassen dürften kaum die erste Zehntelsekunde überlebt haben, denn bei einer Kabinenlänge von 22 m und mit Überschall ablaufender Explosion wird die letzte Ecke der Kabine nach höchstens 0,07 sec erfaßt sein.

Eine explosive Dekompression muß man sich wie bei einem Luftballon vorstellen: Bläst man ihn nur so weit auf, daß er sich gerade strafft, kann man eine Nadel hineinstoßen und es passiert nichts. Erst beim Herausziehen beginnt die Luft langsam zu entweichen. Bläst man ihn jedoch voll auf, braucht man ihn nur ein wenig mit der Nadel zu piken, schon fliegt er einen in vier bis fünf großen Stücken um die Ohren. Seinen Grund hat das darin, daß überspannte Luft eine riesige Energiemenge enthält und diese sich mit Überschallgeschwindigkeit entladen muß.
Ende 1952 besuchten die Pan-American-Techniker Scott Flower, John Borger und Bob Blake die Firma de Havilland und fragten Chefkonstrukteur Ronald Bishop: „Sie verwenden  ja dünnere Häute als bei der DC-6B. Wie können Sie das bei der zusätzlichen Druckhöhe verantworten?“ Und Bishop antwortete: „Gewußt wie!“ Die De-Havilland-Ingenieure waren von ihren Prüfmethoden, besonders der im Wassertank, vollkommen überzeugt. Doch Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
In der DDR äußerte man sich so: „Die englischen Ingenieure sind nach den Comet-Unfällen mit dem Vorwurf der Fahrlässigkeit zu belasten, und zwar nicht nur der einzelne Konstrukteur, sondern das gesamte Kollektiv, einschließlich Forschung, Herstellung und Prüfung.“

 

Leistungstabelle aus Buch Holger Lorenz: "Start ins Düsenzeitalter"

 

Die Comet 1 in den Farben der BOAC

 

Das schönste Flugzeug der Welt in Color

 

Die Comet 1A in den Farben der Union Aeromaritime de Transport (UAT)

 

Für die UAT flog die Comet von Paris nach Nord- und Westafrika

 

Die Comet 1A in den Farben der Royal Canadian Air Force (RCAF)

 

Bis 1963 betrieb die RCAF ihre zwei Kometen VC 5301 und VC 5302.

 

Auszüge aus Buch "Start ins Düsenzeitalter" von Holger Lorenz (erschienen im April 2008).

 

Fotos der beiden RCAF-Comets VC 5301 und VC 5302